Sonntag, 29. Mai 2016

Gelato Gelato!



Einen wunderschönen Pre-Montag wünsche ich allen! (Ich weiß, ich bin ein Arschloch, aber ihr müsst der Realität ins Auge sehen, morgen ist eben Montag!)

Ich muss erstmal erzählen, dass ich vor einiger Zeit eine sehr interessante Unterhaltung mit einer guten Freundin über ein sehr aktuelles Thema hatte. Und zwar haben wir uns über Drogen unterhalten. Ich sag’s euch wie es ist, ich halte da echt wenig von; Gras ist ja eine Sache, aber Kinder, wieso schmeißt ihr euch denn irgendein chemisches Zeug rein, damit ihr mal wieder so n richtig gutes Wochenende habt? Auf jeden Fall meinte ich dann nur so: „Ja kein Plan, wie man seinem eigenen Körper sowas antun kann, kann man sich quasi genauso gut die Kugel geben.“ Erst dann habe ich das Paradoxe an meiner Aussage wahrgenommen und musste über meine eigene Intellenz ein wenig schmunzeln. Achja, bei „Intellenz“ handelt es sich nicht um einen Tippfehler, ich weiß sehr wohl, dass man das nicht so schreibt, auch wenn ich blond bin! :D
Mein Körper hat sich die ganzen letzten Jahre bestimmt ultra gefeiert, weil ich der Meinung war, nö, für dich hab ich heute leider keine Kalorien. Im Endeffekt war es doch genau dasselbe, wenn wir mal ehrlich sind, aber nein, Drogen, ich doch nicht, weil ihr müsst ja wissen, Anorexen verhalten sich eigentlich immer sehr regelkonform, Abweichungen sind uncool.
Das einzige abweichende Verhalten, was man in der Klinik beobachten konnte, war das Wegschmuggeln von Essen und ebenso die heimliche körperliche Aktivität. Hab ich nie gemacht, das wäre ja nur Quatsch, ich brauchte einfach die frische Luft, soll ja bekanntlich neben dem Schlafen die beste Medizin sein.
Blöd war es nur, wenn man bei seinen täglichen Expeditionen in den Ort von einer engagierten Klinikmitarbeiterin gesichtet wurde. Das war dann aber schneller beim Cheffe, als Gossip Girl es jemals hätte verbreiten können, ich sag‘s euch. Und dann folgten immer so unnötige Aktionen wie „Jouu, zur Strafe musst du jetzt nachessen, 2 Riegel oder so.“ Na geil, denkt man sich da, der ganze Aufwand wieder umsonst, hätte ich doch bloß lieber 100 Sit-Ups auf meinem Zimmer gemacht, jetzt muss ich zusätzlich 2x 100 kcal und 6g Fett zu mir nehmen. Das mit dem Riegel zieht sich auch ein bisschen wie ein roter Faden durch das Klinikregiment. Wenn man beispielsweise das Tanzangebot wahrnehmen wollte, musste man einen „Tanzriegel“ zusätzlich essen. Also ich war einmal beim Tanzen, das Ganze war mir dann doch n bisschen zu risky, da weiß man ja nie, wo das so ansetzt, so n Keksriegel!
Ne ganz andere witzige Geschichte, die mir grade einfällt, hat sich an Ostern zugetragen („es begab sich aber zu jener Zeit…“).
Um ein wenig Normalität in den Klinikalltag zu bringen, wurde auch eine Ostereiersuche veranstaltet. Was dabei allerdings alles gefunden hat, war sehr amüsant. Es wurden mehrere Mandarinen, Riegel, wenn ich mich recht erinnere sogar Joghurt, in den Büschen gefunden, allerdings wurde das Geheimnis, von wem diese stammten natürlich nie gelüftet, auch wenn die Gerüchteküche stark am Brodeln war. 



Bei dem Wetter fällt mir auch grade noch eine andere kleine Anekdote zum Thema Eis essen ein. Auch in der Klinik fanden normale Ereignisse wie Geburtstag statt und da es in diesem Kaff nicht soo eine große Auswahl gab, wo man hinkonnte, bzw. das durfte spielt natürlich auch noch eine Rolle, ging es meistens in die örtliche Eisdiele. Und dann ging’s los. Ihr müsst wissen, eigentlich finden Anorexen Essen ziemlich geil. Also nicht es dann wirklich zu essen versteht sich, sondern sich im Geiste damit zu beschäftigen, was man essen WÜRDE, wenn man denn essen würde. Ihr seht schon, wir stehen auf abgefahrene Gedankenexperimente. Es gibt ja diesen Witz „noch einmal Duschen, dann ist Weihnachten“ – bei uns war das halt in etwa so „noch einmal essen, dann ist Weihnachten“. Und da es dann eben sowas Besonderes war, wenn es zu diesem außergewöhnlichen Ereignis kam, hat man sich mit der Zeit angewöhnt, eine gewisse Entscheidungsfindungsstörung zu entwickeln. Auch wenn man ja in der Klinik gegen seinen Willen zur Nahrungsaufnahme gezwungen wurde (was für eine Frechheit), behielten die meisten dieses Verhalten bei.
Stellt euch nun also mal vor, wie eine Gruppe von 5-8 Anorexen bei einer Eisdiele stehen und sich jeder aus einer Auswahl von ca. 20 Sorten 3 raussuchen mussten (keiner würde je 3 Kugeln freiwillig nehmen, aber man musste damit seine Kaffeemahlzeit ersetzen, und jeder auch schön darauf geachtet, dass sich jeder korrekt an die vorgeschriebene Menge hält.)
Und ja, es ging tatsächlich so weit, dass alle Eissorten von jedem durchprobiert wurden, der arme Eisverkäufer, an dieser Stelle möchte ich mich im Namen aller nochmal bei dir entschuldigen, ich hoffe, du kannst deinem Job nach wie vor nachgehen! Eigentlich auch ziemlich mutig, ich meine so ein Viertel vom Eislöffel zusätzlich ist auch nicht ohne, das muss man schon sagen! Im Durchschnitt hat so eine Bestellung dann bestimmt so ne halbe Stunde gedauert. Grade im Sommer natürlich echt witzig, wenn sich langsam aber sicher schon so ne richtige Schlange hinter einem bildet. Irgendwann hat sich die Eisdiele dann auch telefonisch bei unserer Klinikleitung beschwert, das war uncool.
Vor dem Eis essen wurde meistens auch noch ein Termin bei der Ernährungsberaterin vereinbart, damit man auch ja die richtige Menge an Kugel wählte, um ja nicht zu wenig zu essen (nein, der andere Fall entspricht natürlich nicht der Wahrheit.) Irgendwann ging dann auch mal das Gerücht rum, dass die einem extra immer zu viel sagen, dann musste man alles auch noch selber nachprüfen, richtig ätzend, aber so ist das, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist ja bekanntlich besser! Man hatte auch bald seine Lieblingsernährungsberater, die vielleicht etwas kulanter waren und über das ein oder andere Gramm Fett mal hinweggesehen haben. („Ach kommen Sie, ich nehm da noch ne Portion Obst rein, und wenn dann nichts passiert, können wir die immer noch in Käse umwandeln, was halten Sie davon?“) – Die meisten haben von solchen Vorschlägen eher wenig gehalten, aber was soll’s, man muss es ja wenigstens versucht haben! 

Achja, wenn ihr euch fragt, was man eigentlich noch so den ganzen Tag macht, außer Essen und Therapie kann ich euch sagen, jeder fängt irgendwann an, sich ein richtiges Altfrauenhobby zuzulegen. Quasi jeder hat bei uns am Ende gestrickt, Kreuzworträtsel gemacht uuuund ich hatte in der Zeit auch meinen danach nie wieder erreichten Rekord bei Temple Run, also es war auch echt ne ganz schön produktive Zeit!
In diesem Sinne verabschiede ich mich mal wieder und geh nochmal ne Runde laufen, ganz legal versteht sich!

Eure Katja :)